Zitate von Ernst Kreuder

aus Die Gesellschaft vom Dachboden:

Spannung ist verpönt, echte Spannung, dazu gehört Phantasie, nicht Fleiß, aber es fällt ihnen ja nichts Spannendes ein. Sie sind zu gebildet, um Einfälle zu haben, zu wohltemperiert, zu langweilig


Die Flüsse haben heute doch nur noch das Fließen, alles andere hat man ihnen abgenommen, die Ufer betoniert, die Windungen mit dem Lineal abgekürzt, das Wasser verpestet, die Fische vergiftet, Schleusen und Turbinenanlagen, also das Fließen hat er auch nicht mehr; was hat er noch?


Das Denken sollte noch feiner sein als das dünnste Gas, damit es durch die Ritzen dieser Wirklichkeit hindurchströmen kann ins Ungewisse, denn dort beginnt das wahre Wirkliche, im Land der Drachen und Zwerge; als Kinder wussten wir das, ohne es zu verstehen.


Man darf die Wahrheit niemand sagen, sonst kommt man in den grünen Wagen.


Viele leben gar nicht, denn sie haben keine Zeit. Sind wie Leichen, die man auf Arbeit schickt. Die Städte sind voll davon, nur das die Sucht nach Genüssen bewirkt, dass sie sich regen, dass sie zappeln und toben.


Selbst wenn wir den Stein der Weisen hätten, hülfe er uns nichts, wenn wir nicht selbst weise wären.


Wer einen Purzelbaum auf dem Marktplatz schlägt, muss ins Sanatorium, wer sich totlacht, wird gesteinigt, in anderen Ländern ist es nicht ganz so schlimm, habe ich mir sagen lassen.


Aber ich halte nicht viel vom Erzählen, ich lebe lieber in Geschichten.


Von der Kunst zum Beispiel erwarte ich immer wieder, dass sie die Realität der Abbilder, der Abziehbilder durchstößt und ins Irreale fortschwebt.


aus Die Unauffindbaren:

Laufend dachte er, dass er nun auch verfolgt wurde, dass es im Grunde zwei Arten von Menschen gab, die man verfolgte, Übeltäter und Außenseiter.


Ich war bisher in der Welt herumgelaufen wie ein Mann, der sich beim Blumenpflücken bückt, aber nicht umsieht.


Vielleicht ist es so, dass wir genau so gefangen sind, wie die Fische im Aquarium. Es wird jeder schon in sein Aquarium hineingeboren, das Wasser gibt nur Leben, aber keinen Schutz, und dann sitzen vielleicht einige draußen herum und sehen zu.


Du solltest den Sinn des Suchens lernen, erfahren, nicht nur die Sehnsucht des Suchens, die Bemühung, die Witterung für versunkenes und Verschollenes, sondern die Wege finden, auf denen sich die Verwandlung des Suchens vollzieht, von außen nach innen, und zuletzt würde das Suchen dem unsichtbaren Sinn dieser sichtbaren Welt gelten, der verlorengegangen war.


[...] ihr habt so viele Uhren, ihr hört nicht mehr, was die Stunde geschlagen hat.


[...] ich sollte trinken, damit ich nicht am nebensächlichen kleben bleibe.


Eure exakte Realität, machte sie nicht erst vor kurzem Bankrott im großen Kriege?


Wir sind keine Aufrührer, keine Anarchisten, wir verurteilen den gewaltsamen Umsturz, unsere Arbeit dient älteren, geheimeren Ordnungen, als sie auch aus den Gesetzbüchern bekannt sind.


"ich halte die Hinrichtung", sagte ich, "für das einzige Verbrechen für das es keine Strafe geben kann, weil es gar nicht zu sühnen ist. Es ist das abscheulichste, schlimmste Verbrechen."


aus Herein ohne anzuklopfen:

Es hatte sich nichts geändert. In den Tagen des Kriegsendes hatte ich auch an unsere Gärten gedacht. Ich hatte gehofft, von nun an würde es niemand mehr wagen, öffentlich solche "Es-ist-serviert"-Gärten "anzurichten", nach allem was sich zugetragen hatte und nachdem sehr viele ihren Garten einmal von unten her kennen lernten, im Erdgeruch, in der abgestürzten Stollenhöhle, in die sie mit Stahlkassette, Koffern uns Schlafdecken flüchteten, in der Gefahr, wenn oben die technischen Errungenschaften den heulenden Fortschritt ausklinkten.


Und alle zwei Jahrzehnte einen Weltkrieg, um den Weltfrieden zu retten. Sind sie mit diesem Leben zufrieden?


[...] die biographischen Daten sind unerheblich, sie handeln von den Variationen, nicht vom Typus.


Ein Leben lang reden wir über die Welt, und im Grunde konnten wir ihre Erscheinung, ihr riesenhaftes Vorhandensein überhaupt nicht begreifen.


Wer möchte sich nicht gerne verstecken, dachte ich, und am liebsten vor sich selbst.


[...] die Belogenen und Betrogenen haben schon wieder Seife in den Ohren, man hat sie tüchtig eingeseift, damit sie eines Tages wieder in die Massengräber sinken, bei gutem Fußballwetter, für die großen Intendanten.


Es müsste einmal aufhören mit dem planmäßigen Hervorbringen von Menschenmassen, mit der gewissenlosen Seelenfabrikation, mit dieser hemmungslosen Überproduktion von Schicksalen, mit dem pausenlosen Auffüllen der Gräber.


Wehe, wehe, ich sage euch, solange ihr nicht die Kasernen in Liebesschulen umwandelt, solange werdet ihr euch noch zerfleischen und euch dafür prämieren und pensionieren lassen.


Vormittags wird man in die Schule geschickt, mittags heiratet man und geht danach ins Büro, nachmittags wird man in den Krieg geschickt, wenn es gut geht, steht man zu Vesper hinter Stacheldraht, abends wird man ins Krankenhaus geschickt, wenn man rechtzeitig zurück kommt, ist der Ofen noch warm und man feiert den Siebzigsten mit Punsch und Abführmitteln, dann ist es schon Zeit sich von allen zu verabschieden.


aus Schwebender Weg:

Schreiben? Es konnte nur noch ein Ahnen sein: Ahnend würde alles beginnen. Ein Ahnen, das aus der wirrsäligen Zeit in unsichtbare, ruhende Ordnung führte, Willkür und Selbst überwand, und zum Mahnen wurde.


Sie hatten nicht alles verloren. Aber nach dem kommenden Krieg würden sie alles verloren haben, nicht nur die Arbeit, sondern die Wohnstatt mit jeglichem Hausrat, eingeäschert, verkohlt, ihre Frauen, ihre Kinder, die sich vor Dynamit und Phosphor in die Kellerwinkel flüchteten, verbrannt, verkohlt. Tausende und aber Tausende in einer einzigen Nacht, in einer Stunde, in den Flammen erstickt, verschmort, zu Hause.